Bitcoin über 100.000: Eine finanzmathematische Betrachtung!

In Zeiten vermeintlich „wundersamer Geldvermehrung“ bleibt der nüchterne Blick auf die finanzmathematische Realität essenziell. Hohe Kursgewinne, wie sie bei Bitcoin und anderen Kryptowährungen häufig angepriesen werden, kommen nicht ohne Risiken. Gier und Angst sind dabei die größten Gegenspieler, und wer die lauernden Gefahren ignoriert, zahlt am Ende den Preis.

Drawdowns – also Rückgänge von Höchstständen – sind nicht die einzigen Herausforderungen, denen sich Anleger stellen müssen. Neben Kursverlusten spielen auch technische Risiken, Handelsplattform-Ausfälle und steuerliche Verpflichtungen eine entscheidende Rolle. Ein Buchgewinn allein bedeutet noch lange keinen realisierten Gewinn, und ohne Planung stehen viele Anleger am Ende mit leeren Händen da.

Martin Eberhard | zuletzt aktualisiert 18.12.2024

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148 % pro Jahr mit Bitcoins

Am 3. Januar 2009 veröffentlichte Satoshi Nakamoto die Open-Source-Software „Bitcoin 0.1“. Nur neun Tage später wurde die erste Transaktion auf der Bitcoin-Blockchain durchgeführt, ein Meilenstein für die Einführung dezentraler Zahlungsmittel. Am 22. Mai 2010 kam es zur ersten bekannten Bezahlung einer Dienstleistung mit Bitcoin: Zwei Pizzen wechselten für 10.000 Bitcoin den Besitzer – damals umgerechnet etwa 30 Euro. Bis zu diesem Zeitpunkt galt Bitcoin vor allem als experimentelle Währung und war vor allem in Technologiekreisen als sogenanntes „Hackergeld“ bekannt.

Niemand hatte Bitcoin damals als ernstzunehmende „Anlageklasse“ auf dem Radar – weder Privatanleger, noch institutionelle Investoren, geschweige denn Staaten oder Finanzbehörden. Und warum auch? Was sollte den Wert von etwas begründen, das auf keiner gesetzlichen Grundlage basiert, dessen Ursprung mysteriös ist und das keinerlei Regulierung oder Rechtssicherheit für Anleger bietet?

Trotz dieser Skepsis erzielte Bitcoin seit 2011 eine durchschnittliche Jahresrendite von erstaunlichen 148 %. Diese Wertentwicklung ist beispiellos, und nur wenige Investoren hatten den Weitblick, frühzeitig an das Potenzial von Bitcoin zu glauben und die Anlage langfristig zu halten. Ein Großteil dieser beeindruckenden Performance stammt aus den frühen Jahren, wie die folgenden Zahlen verdeutlichen.

Wie alles begann

Bitcoin ist die älteste und bekannteste Kryptowährung der Welt. Sie entstand in der Folge der Finanzkrise 2008, als unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto das Konzept einer dezentralen, digitalen Währung vorgestellt wurde. Mit der Veröffentlichung des Whitepapers „Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System“ im Jahr 2008 und dem Start des Netzwerks im Januar 2009 wurde Bitcoin als Alternative zum traditionellen Finanzsystem eingeführt.

Bis heute ist nicht bekannt, wer hinter Satoshi Nakamoto steckt. Die Tatsache, dass der Bitcoin anonym geschaffen wurde, steht in starkem Kontrast zur langen und dokumentierten Geschichte des traditionellen Geldes, das durch staatliche Autorität und Institutionen geprägt ist.

Das innovative System basiert auf der Blockchain-Technologie und ist auf die Ausgabe von maximal 21 Millionen Bitcoins begrenzt. Der erste Block, der sogenannte Genesis Block, markierte den Beginn der weltweit ersten Kryptowährung und legte den Grundstein für das heutige Kryptowährungs-Ökosystem.

Zunächst existierte Bitcoin ohne einen festen Wechselkurs zu bekannten Währungen.

Erst 2010 begann man, Bitcoin in ein Wertverhältnis zum US-Dollar zu setzen. Der erste dokumentierte Wechselkurs wurde von New Liberty Standard auf Grundlage der Produktionskosten für das Mining kalkuliert und lag bei 0,07 US-Dollar pro Bitcoin.

Was damals als Experiment begann, entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einer globalen „Anlageklasse“ und einem viel diskutierten Zahlungsmittel.

Zwischen 2010 und 2013 war ein Bitcoin – bis auf kurze zwischenzeitliche Sprünge – selten mehr als einen Dollar wert. Dies war namentlich der Grund, warum das Thema lange Zeit keine Relevanz bei Anlegern, aber auch bei den Finanzbehörden zur steuerlichen Betrachtung hatte.

Über 10.000 Kryptowährungen

Mit der rasanten Wertentwicklung von Bitcoin begann 2013 eine regelrechte Goldgräberstimmung im Kryptomarkt. Über Nacht schossen Miner wie Pilze aus dem Boden, angetrieben von der Aussicht, mit scheinbar „nichts“ beträchtliche Summen zu verdienen. Der zugrunde liegende Mechanismus ist dabei simpel:

Der Wert von Bitcoin und neu geschaffenen Kryptowährungen basiert ausschließlich auf Angebot und Nachfrage nach einem vermeintlich knappen Gut. Es gibt keinen inneren Wert, keine reale Bindung an Vermögenswerte – nur das Vertrauen der Käufer, dass diese digitalen Münzen begehrt bleiben.

Die Zahlen sprechen für sich: Im Juni 2013 waren laut Statista gerade einmal 26 Kryptowährungen bekannt. Doch die wachsende Popularität von Bitcoin entfachte eine Explosion der Vielfalt. Bis Dezember 2019 stieg die Zahl der Kryptowährungen auf 2.388, und im Februar 2022 erreichte sie mit 10.656 einen vorläufigen Höchststand. Dieses exponentielle Wachstum zeigt, wie attraktiv der Markt für neue Akteure geworden war – oft mit dem Ziel, durch Mining oder neue Token-Emissionen von der Nachfrage zu profitieren.

Allerdings konnte sich längst nicht jede Kryptowährung behaupten. Bis Februar 2023 verschwanden mehr als 2.000 von ihnen wieder, Opfer von fehlender Nachfrage, Betrug oder technischer Unzulänglichkeit. Trotz dieser Marktbereinigung bleibt der Kryptomarkt dynamisch: Heute gibt es, angetrieben durch einen erneuten Aufschwung, 10.295 aktive Kryptowährungen

Volatiler geht es nicht

Der Wert von Bitcoin hängt allein davon ab, dass genug Menschen daran glauben, dass es wertvoll ist. Ohne Käufer verliert es seine Existenzgrundlage als Tauschmittel und Spekulationsobjekt. Dies macht Bitcoin zu einer hochvolatilen Anlageklasse, die stark vom Vertrauen der Gemeinschaft abhängt – ein Vertrauen, das durch Marktereignisse, Regulierungen oder technologische Entwicklungen schnell ins Wanken geraten kann.

Dreimal verloren Anleger in den letzten 10 Jahren über 70 % ihres Vermögens. Die längste Abwärtsphase dauerte 3 Jahre und 1 Monat (November 2013 bis Dezember 2016) und erreichte mit -76,7 % ihren Tiefpunkt.

Ein Verlust von 75 % bedeutet nicht nur, dass der Wert stark fällt – um wieder auf den ursprünglichen Ausgangswert zu kommen, ist ein Anstieg von 300 % nötig. Diese mathematische Hürde zeigt, wie schwer solche Rückgänge zu kompensieren sind.

In der Vergangenheit hat Bitcoin genau das jedoch geschafft. Nach großen Korrekturen erholte er sich mehrfach und erreichte heute sogar einen neuen Höchststand von 100.000 Dollar.

Allein auf die Fallhöhe kommt es an

Wie bei allen Anlagen spielt die investierte Summe oder der zuletzt erreichte Vermögenswert die entscheidende Rolle.

Für Kleinanleger, die nur geringe Beträge in Bitcoin investiert haben, machen Kursbewegungen von 75 % nach oben oder unten oft keinen gravierenden Unterschied. Ob aus 1.000 Dollar plötzlich 250 oder 1.750 Dollar werden, verändert das Leben meist kaum.

Anders ist es bei Anlegern, die entweder früh mit großen Summen eingestiegen sind oder erst spät im Zyklus viel Kapital in Bitcoin gesteckt haben. Hier wird aus einem Kursrutsch von 75 % schnell ein erheblicher Verlust: Wer beispielsweise 100.000 Dollar investiert hat, sieht seinen Wert auf 25.000 Dollar schrumpfen – ein Rückgang, der spürbare finanzielle Schmerzen verursachen kann.

Der Unterschied liegt also nicht in der Anlage selbst, sondern in der Fallhöhe, die das investierte Kapital bestimmt. Während kleine Summen überschaubar bleiben, bergen große Beträge in diesem volatilen Markt auch große Risiken.

Gier und Angst: Die psychische Falle

Die größten Feinde des Anlegers sind Gier und Angst. Steigen die Kurse, verdrängen Gewinnphantasien die Risiken. Fällt der Kurs hingegen, dominiert die Angst – und viele Anleger verkaufen panisch genau dann, wenn die Verluste am höchsten sind.

Dieses Verhalten führt dazu, dass die meisten Anleger den Tiefpunkt realisieren und die anschließende Erholung verpassen. Die emotionale Stabilität ist bei volatilen Anlagen wie Bitcoin daher ebenso wichtig wie finanzielle Vorbereitung.

Risiken der Handelsplattformen: Ein unterschätztes Problem

Selbst wenn Ihr Bitcoin-Portfolio in der Theorie stark wächst, bleibt das Risiko der Handelsplattformen bestehen:

  1. Technische Ausfälle: Bei extremen Kursbewegungen überlasten sich Plattformen. Verkäufe oder Käufe können nicht durchgeführt werden.
  2. Insolvenzen und Betrug: Pleiten wie der FTX-Crash 2022 haben gezeigt, dass selbst große Plattformen unsicher sind.
  3. Hacks: Kryptowährungen auf zentralen Plattformen sind anfällig für Angriffe. Ein Hack kann Ihre gesamten Coins vernichten.

Fazit: Ein Buchgewinn zählt nur, wenn er auch realisiert werden kann. Sichere Verwahrung ist Pflicht!

Bitcoin und Steuern: Gewinne und Verluste richtig behandeln

Kauft und verkauft ein Kapitalanleger Kryptowährungen wie Bitcoin, kann das ein Fall für das Finanzamt werden. Die gesetzlichen Regeln für private Veräußerungsgeschäfte (§ 23 EStG) gelten hier genauso wie für andere Anlagen:

  1. Gewinne: Wann wird’s steuerpflichtig?
  • Haltedauer < 1 Jahr: Gewinne aus dem Verkauf sind steuerpflichtig, wenn sie die Freigrenze von 1.000 Euro pro Jahr überschreiten.
  • Haltedauer > 1 Jahr: Gewinne sind steuerfrei, sofern keine wirtschaftliche Zwischennutzung (z.B. Verleih, Staking) stattgefunden hat.

Beispiel 1: Steuerfreier Verkauf
Sie haben 2022 Bitcoin für 8.000 € gekauft und verkaufen sie 2024 für 20.000 €. Da die Haltefrist von einem Jahr überschritten ist, bleibt der Gewinn steuerfrei.

Beispiel 2: Steuerpflicht bei Tausch
Sie kaufen 2023 Bitcoin für 7.000 € und tauschen sie nach sechs Monaten für Waren im Wert von 10.000 €. Da der Tausch innerhalb der Jahresfrist stattfindet, sind die 3.000 € Gewinn steuerpflichtig.

  1. Verluste steuerlich nutzen

Erleiden Sie Verluste aus dem Verkauf von Bitcoin innerhalb der Jahresfrist, können diese mit Gewinnen aus anderen privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet werden – entweder im selben Jahr oder in künftigen Jahren.

Achtung bei Diebstahl: Ein Verlust durch Diebstahl wird steuerlich nicht anerkannt, da es sich nicht um ein Veräußerungsgeschäft handelt.

Tipps zur Risikominimierung

  1. Diversifizieren
    Legen Sie niemals Ihr gesamtes Kapital in Bitcoin oder Kryptowährungen an. Eine breite Streuung über Aktien, Immobilien, ETFs und Krypto reduziert Risiken.
  2. Sichere Verwahrung
    Lagern Sie Ihre Coins auf einem Hardware-Wallet, um Plattform-Ausfälle oder Hacks zu vermeiden.
  3. Krypto-ETFs
    Nutzen Sie regulierte Bitcoin-ETFs, um die Risiken des Direktinvestments (Plattformen, Verwahrung) zu reduzieren.
  4. Steuerliche Optimierung
    • Gewinne nach der 1-Jahres-Frist bleiben steuerfrei.
    • Verluste innerhalb der Jahresfrist steuerlich geltend machen.
    • Die Freigrenze von 1.000 € pro Jahr beachten.
  5. Liquidität sicherstellen
    Vermeiden Sie Zwangsverkäufe in schlechten Marktphasen. Sorgen Sie stets für ausreichende Liquidität.

Fazit: Chancen nutzen, Risiken erkennen

Bitcoin und andere Kryptowährungen bieten enormes Potenzial, sind jedoch auch ein Spiel mit dem Feuer. Der steile Anstieg mag verlockend sein, doch die historischen Drawdowns zeigen: Massive Verluste sind jederzeit möglich. Wer in Kryptowährungen investiert, muss die Risiken verstehen, steuerliche Regeln kennen und emotionale Stabilität mitbringen.

Diversifikation, sichere Verwahrung und langfristige Strategie sind die wichtigsten Bausteine für ein verantwortungsvolles Investment. Denn: Der beste Gewinn zählt nur, wenn er realisiert wird – und nicht, wenn er in der Buchhaltung bleibt.