Wem gehört die Welt?

In einer Welt, in der scheinbar unendliche Vielfalt an Produkten existiert, zeigt ein genauerer Blick auf den Konsumgütersektor, dass eine Handvoll Konzerne den Markt dominiert. Wie die Infografik zu den 12 Unternehmen, die über 550 Verbrauchermarken kontrollieren, eindrucksvoll illustriert, sind es global agierende Konzerne wie Nestlé, PepsiCo, Unilever oder Procter & Gamble, die unser tägliches Konsumverhalten maßgeblich bestimmen.

Diese Marktstruktur verdeutlicht eine zentrale Realität des globalen Kapitalismus: die extreme Konzentration wirtschaftlicher Macht. Hans-Jürgen Jakobs beschreibt in seinem Vortrag „Wem gehört die Welt?“ eindringlich, wie wenige Unternehmen, Investoren und Finanzakteure die weltweiten Märkte beherrschen und damit nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Macht ausüben.

Die Illusion der Vielfalt

Ein Gang durch den Supermarkt suggeriert eine breite Auswahl an Produkten. Doch ob wir zu einer Tafel Schokolade von Milka (Mondelez), einem Energy-Drink von Rockstar (PepsiCo) oder einer Haarpflege von Pantene (P&G) greifen – am Ende landen die Umsätze bei den gleichen Konzernen. Diese Konsolidierung dient als wirtschaftlicher „Burggraben“, wie es Warren Buffett beschreibt: Unternehmen mit starkem Markennamen und weitreichendem Einfluss sichern sich langfristige Wettbewerbsvorteile und können kleinere Konkurrenten dominieren oder aufkaufen.

Luxusgiganten: Das Beispiel LVMH

Nicht nur der Konsumgütersektor ist von dieser Machtkonzentration betroffen, sondern auch der Luxusmarkt. Ein herausragendes Beispiel hierfür ist LVMH (Louis Vuitton Moët Hennessy). Gegründet durch die Fusion von Louis Vuitton mit dem Spirituosenhersteller Moët Hennessy im Jahr 1987, hat sich LVMH zu einem der mächtigsten Konzerne im Luxussegment entwickelt.

Unter der Führung von Bernard Arnault besitzt LVMH heute eine Vielzahl exklusiver Marken, darunter Dior, Givenchy, Tiffany & Co., Moët & Chandon, Dom Pérignon und Sephora. Ähnlich wie in der Konsumgüterindustrie täuscht die Vielfalt an Produkten über die dahinterliegende Marktmacht hinweg – viele scheinbar konkurrierende Luxusmarken befinden sich unter demselben Dach. Mit einem Umsatz von über 79 Milliarden Euro im Jahr 2022 ist LVMH ein Paradebeispiel für die extreme Marktkonzentration im Luxussegment.

Everything Owned by LVMH - LLCAttorney.com - Infographic
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Nestlé: Der Gigant der Lebensmittelindustrie

Ein weiteres Beispiel für die enorme Marktmacht eines einzelnen Unternehmens ist Nestlé, der größte Lebensmittelkonzern der Welt. Der Schweizer Gigant kontrolliert eine Vielzahl von Marken aus den Bereichen Getränke, Süßwaren, Tiefkühlprodukte und sogar Haustiernahrung. Einige der bekanntesten Marken von Nestlé sind:

  • Getränke: Nescafé, Nespresso, Nesquik, San Pellegrino, Vittel
  • Schokolade & Süßwaren: KitKat, Smarties, Choco Crossies, Lion
  • Tiefkühlprodukte & Fertiggerichte: Maggi, Wagner, Thomy, Buitoni
  • Eiscreme: Häagen-Dazs, Mövenpick, Schöller
  • Haustiernahrung: Purina, Felix, Dentalife

Nestlé hat in den letzten Jahren mehrfach Kritik auf sich gezogen, insbesondere wegen seiner Geschäftspraktiken im Wassergeschäft, seiner aggressiven Expansionsstrategie und der mangelnden Reduktion von Zucker- und Salzgehalten in seinen Produkten. Trotz dieser Kontroversen bleibt Nestlé einer der wertvollsten Konzerne Europas mit einem Jahresumsatz von 95 Milliarden Euro (2022).

Big Tech und die Zukunft der Macht

Die „Big Tech“-Konzerne – oft als die „Magnificent Seven“ bezeichnet – umfassen Alphabet (Google), Amazon, Apple, Meta (Facebook), Microsoft, Nvidia und Tesla. Ihre Marktmacht basiert nicht nur auf organischem Wachstum, sondern auch auf einer aggressiven Akquisitionsstrategie. Durch gezielte Übernahmen haben sie potenzielle Konkurrenten ausgeschaltet, neue Technologien integriert und ihre Dominanz in verschiedenen Sektoren zementiert.

Laut dem Big Tech Merger Tracker des American Economic Liberties Project haben diese Unternehmen eine beeindruckende Anzahl von Akquisitionen durchgeführt:

  • Amazon: Seit 1998 hat Amazon über 122 Unternehmen in 25 Jahren übernommen – im Schnitt etwa 5 Übernahmen pro Jahr. Zu den bekanntesten gehören IMDb (1998), Zappos (2009) und Whole Foods (2017).
  • Apple: Apple hat in 35 Jahren (seit 1988) insgesamt 130 Unternehmen akquiriert – rund 4 Übernahmen pro Jahr. Bedeutende Zukäufe sind NeXT (1996), Beats Electronics (2014) und Shazam (2018).
  • Meta (Facebook): Facebook hat in 18 Jahren (seit 2005) insgesamt 97 Übernahmen getätigt – etwa 5 pro Jahr. Besonders prägend waren Instagram (2012) und WhatsApp (2014), die Metas Dominanz im sozialen Netzwerkmarkt festigten.
  • Alphabet (Google): Google ist der aggressivste Käufer unter den Big-Tech-Giganten und hat in 22 Jahren (seit 2001) insgesamt 271 Unternehmen übernommen – im Schnitt 12 Übernahmen pro Jahr. Wichtige Akquisitionen umfassen YouTube (2006), DoubleClick (2008) und Nest Labs (2014).

Diese Übernahmestrategien haben den Technologiegiganten nicht nur eine marktbeherrschende Stellung in ihren Kernbereichen verschafft, sondern ihnen auch ermöglicht, frühzeitig in neue Industrien vorzudringen und ihre Kontrolle über Schlüsseltechnologien auszubauen.


Die schiere Marktmacht der „Magnificent Seven“

Die wirtschaftliche Vormachtstellung dieser Unternehmen zeigt sich eindrucksvoll in ihrer Marktkapitalisierung. Zusammen erreichen sie einen Wert von über 15 Billionen US-Dollar – das entspricht rund einem Drittel der gesamten Marktkapitalisierung des S&P 500.

Im Januar 2025 führte Apple mit einer Bewertung von rund 3,7 Billionen US-Dollar die Liste der wertvollsten Unternehmen an. Microsoft und Nvidia folgten mit jeweils über 3 Billionen US-Dollar.

Diese extreme Konzentration wirtschaftlicher Macht ist beispiellos und wirft fundamentale Fragen zur Marktstabilität und Wettbewerbsfähigkeit auf. Experten warnen, dass ein signifikanter Kurseinbruch dieser Giganten den gesamten Markt destabilisieren könnte.

Doch die wahre Macht der „Magnificent Seven“ geht weit über Wirtschaftszahlen hinaus. Sie beeinflussen Technologie, Kultur und Gesellschaft in einem Ausmaß, das traditionelle Konzerne nie erreicht haben – und damit stellt sich die zentrale Frage:

Wer kontrolliert eigentlich die Zukunft?

Quelle: https://companiesmarketcap.com/de/

Kapitalistische Machtstrukturen

Der Konsumgütersektor ist nur ein Beispiel für eine tiefgreifendere Entwicklung im globalen Kapitalismus. Nicht nur die Produktion und der Vertrieb von Konsumgütern, sondern auch Finanzmärkte, Technologieunternehmen und Rohstoffindustrien sind von einer massiven Machtkonzentration geprägt. BlackRock, Vanguard und State Street – die größten Vermögensverwalter der Welt – besitzen erhebliche Anteile an nahezu allen großen Unternehmen und beeinflussen strategische Unternehmensentscheidungen. Diese wenigen Akteure entscheiden mit über Marktstrategien, nachhaltige Investitionen und sogar politische Richtungen.

Konsequenzen für Verbraucher und Gesellschaft

Diese Konzentration von Marktmacht hat weitreichende Folgen:

  • Preisgestaltung und Innovation: Große Konzerne setzen Marktpreise und bestimmen, welche Produkte entwickelt und vertrieben werden. Monopolartige Strukturen können Innovationen hemmen und die Preise künstlich hochhalten.
  • Arbeitsbedingungen und Lieferketten: Viele der großen Konzerne betreiben Produktionsstätten in Ländern mit niedrigen Löhnen, geringen Arbeitsstandards und kaum Umweltschutzauflagen. Die Abhängigkeit von globalisierten Lieferketten führt zudem zu Krisenanfälligkeit, wie die Pandemie gezeigt hat.
  • Beeinflussung politischer Prozesse: Durch Lobbyismus, Medienpräsenz und wirtschaftliche Verflechtungen nehmen Großkonzerne erheblichen Einfluss auf Gesetzgebung und politische Entscheidungen, die oft nicht im Interesse der breiten Bevölkerung liegen.

Gibt es Alternativen?

Während die Digitalisierung und Globalisierung die Dominanz dieser Konzerne weiter verstärken, gibt es auch Bewegungen, die nach alternativen Wirtschaftsmodellen suchen. Nachhaltige und regionale Produktion, Kooperativen und Fair-Trade-Initiativen versuchen, dem Trend zur Machtkonzentration entgegenzuwirken. Doch die Herausforderung bleibt: Wie kann wirtschaftliche Macht dezentralisiert werden, um demokratischere, gerechtere und nachhaltigere Strukturen zu schaffen?

Die Frage „Wem gehört die Welt?“ ist mehr als eine rhetorische. Sie verweist auf eine Machtverteilung, die in immer weniger Händen liegt und somit demokratische Prinzipien herausfordert. Die Konsumgüterindustrie ist ein Paradebeispiel für den globalen Kapitalismus, in dem der Schein der Vielfalt oft nur eine Fassade für die tatsächliche Machtkonzentration ist. Solange diese Strukturen nicht hinterfragt und alternative Modelle nicht gefördert werden, bleibt die Weltwirtschaft in den Händen weniger Konzerne – und wir als Verbraucher nur scheinbar frei in unseren Entscheidungen.

Quelle: www.zeit.de/grafik

Schlussgedanke

Die Illusion von Vielfalt ist kein neues Phänomen. Bereits 2013 zeigte der ZEIT-Artikel „Markenkraken“ von Mario Mensch, dass hinter Millionen von Marken nur wenige Konzerne stehen. Auch damals fanden sich vermeintliche Konkurrenten unter einem Dach – etwa Whiskas und Kitekat als Produkte von Mars. Diese Entwicklung hat sich seither nur weiter verstärkt. Wer also glaubt, durch die Wahl eines bestimmten Produkts echte Alternativen zu schaffen, sollte sich bewusst machen, dass er oft nur innerhalb eines geschlossenen Konzernsystems agiert.